Florian Wörrle
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Florian Wörrle im Gespräch mit Singulart
Louisa Baumgärtel / Meet the artist/ 2018
Wie kamen Sie zur Kunst?
„Kunst“ interessierte mich schon so lange ich denken kann. Schon als Kind habe ich viel gezeichnet und stundenlang mit Knetmasse gespielt. Damals war wohl die Vorstellung, eigene Welten zu erschaffen, höchst anziehend. Bereits als Jugendlicher war ich fasziniert vom Abstrakten Expressionismus. Bewegung, Kraft, Energie – sichtbar gebannt auf einen Träger. Analog dazu habe ich in amateurhafter Pollock-Manier Skateboards und T-Shirts für Freunde bemalt. Dass ich Kunst studieren musste, wusste ich aber schon damals. Als ich dann nach dem Abitur die Karlsruher Kunstakademie besichtigte, war ich sofort verliebt!
Wie würden Sie sich und Ihre Arbeit als Künstler beschreiben?
Das Kunstmachen ist für mich immer eine sehr egozentrische Angelegenheit. Man ist im ständigen Zwiegespräch mit dem Werk und möchte erst nach Vollendung Kontakt mit der Öffentlichkeit, schirmt sich ab. Um diesen künstlerischen Autismus zu umgehen und um auch mit anderen Künstlern regen Austausch zu pflegen, habe ich mit zwei Freunden 2014 die Plattform „größer Null“ in Karlsruhe gegründet. Im Kunstmachen selbst befriedigt sich jedoch für mich eine kindliche Sehnsucht, die ich gerne metaphorisch als Griff in den Zauberspielkasten bezeichne. Der künstlerische Transformationsprozess stellt für mich eine Möglichkeit dar, aus alltäglichen Materialien höchst ästhetische Objekte zu generieren. Dieses Spiel bedeutet für mich Freiheit und Lustgewinn zugleich.
Sie arbeiten auch mit Einsatz von Alltagsmaterialien wie Folien oder PU-Schaum. Wie hat sich Ihre Arbeit über die Jahre verändert hin zu dem, wie sie jetzt ist und welche Materialien oder Techniken wollen Sie noch einmal ausprobieren?
Mich reizte schon immer die haptische Qualität bei Kunstwerken. Arbeiten, die mehrere Sinne ansprechen, faszinieren mich. Viele meiner Arbeiten changieren daher zwischen Malerei und Objektkunst, haben neben dem malerischen Illusionismus noch eine starke physische Komponente. Das Einbeziehen von Werkstoffen wie Textilien, Folien, PU-Schaum und Kunststoffen führt zur Erweiterung der malerischen Möglichkeiten. Bei Materialien und Techniken probiere ich eigentlich alles aus, was in mir einen Reiz auslöst. Im Atelier arbeite ich nebenbei auch an Farb-Skulpturen, die durch jeden neuen Farbauftrag wachsen – prinzipiell nie fertig werden.
Welche Ideen vertreten Sie in Ihren Werken?
Auf der ersten Ebene bin ich ganz ein Kind unserer eklektizistischen Zeit – mit einem Fable für Kitsch, Sampling und Retro-Ästhetik.
So findet bei den entstehenden manieristischen Objekten und Materialbildern ein Formenvokabular Verwendung, das sich bewusst aus kanonisierten Bildsprachen speist. Es entstehen paradoxe Gebilde von großer farblicher und haptischer Anziehungskraft mit geradezu abweisend spiegelnden Oberflächen. Das scheinbar Artifizielle, auf die Oberfläche Zielende, ist kein Hang zur Oberflächlichkeit, sondern Spiel und Methode. Dies äußert sich in einem affirmativen Hang zur Schönheit, ein auf Augenlust gerichtetes Kunstverständnis, das gerade in unserer Zeit zunehmende Verbreitung findet.
Auf der Metaebene setze ich mich leidenschaftlich mit Bild- und Zeichentheorien auseinander.
Der Diskurs zur „Bilderlüge“ ist für mich Kernpunkt und Katalysator. Bei meinen Arbeiten wird die starre Form und der malerische Illusionismus des Tafelbildes aufgebrochen, sodass Shaped-Canvaces entstehen, die mit der innerbildlichen Struktur korrespondieren.
Können Sie uns etwas zum Werk „Zapfenstreich“ erzählen?
Bei dem Werk „Zapfenstreich“ aus dem Jahr 2017 verformt sich mit den fließenden Streifen das gesamte Bild, sodass am unteren Rand die auswuchernden „Zapfen“ entstehen. Neben der ablesbar zeitlichen Komponente generiert hier die fließende Farbmaterie nahezu selbst ihre Bild-Form. Bild und Träger verschmelzen so zu einer neuen strukturellen Einheit. Der verfolgte Ansatz bringt die Differenz zwischen der rein visuellen Repräsentation und dem eigentlichen Material in ein neues Verhältnis: Der Bildträger ist nicht mehr von seinem visuellen Bild verschieden, sondern die Form des Trägers und das Bild bedingen sich wechselseitig. Dergestalt richtet sich der „Zapfenstreich“ augenzwinkernd gegen den zeitgenössischen Körperdiskurs, gegen dessen Entmaterialisierungsgedanken und das Übergewicht der digitalen Medien.
Sie lehren auch Kunst – in wie fern bereichert Sie das persönlich und künstlerisch? Und was nehmen Sie aus der Lehrtätigkeit mit?
Da ich an einem Gymnasium unterrichte, habe ich das Vergnügen, mit Kindern und jungen Erwachsenen zu arbeiten. So ist für mich die Neugier und der Experimentierdrang von Kindern höchst faszinierend und nachahmenswert. Mit den Abiturienten wird es dann auch theoretisch interessant, da vielen jungen Erwachsenen in unserem weitgehend digitalisierten Alltag oft der Zugang zu handfester Kunst fehlt, was zu sehr spannenden und hitzigen Diskussionen in den Kursen führen kann. Insgesamt bereitet es mir große Freude, den kreativen Arbeitsprozess mit jungen Menschen zu teilen, den künstlerischen Prozess weiterzugeben und den Schülern durch Projektarbeiten Freiheiten zu ermöglichen, die es im regulären Schulbetrieb nicht gibt.
Zum Profil von Florian Wörrle auf Singulart:
https://www.singulart.com/de/k%C3%BCnstler/florian-w%C3%B6rrle-1022
Florian Wörrle – Alles nur nicht flach
Jayanthan Sriram / Galerie Strzelski / 2015
Wie viele von uns saßen schon im Kunstunterricht und wurden in unseren Konzeptionen und Arbeiten durch Sprüche wie „Man malt nicht über die Ränder hinaus“ gebremst? Vielleicht hat solches Eingrenzen der Kreativität in der Grundschule noch eine pädagogische Berechtigung, wo noch um die Feinmotorik des Heranwachsenden gerungen wird, jedenfalls vermittelt diese Äußerung ein sehr veraltetes Bild der Kunst. Ein Bild, welches sehr klar und immer noch in den Köpfen der Menschen vorherrscht: „Kunst hat Schön zu sein“ – ein alter Hut. Aber auch „Kunst, das ist ein Bild auf einer Leinwand“, „Kunst, das ist die Darstellung von Dingen aus dieser Welt“. Jeder der im Hier und Jetzt lebt und die letzten hundert Jahre der Menschheitsgeschichte nicht verpasst hat, weiß wie unglaublich eingeschränkt diese Perspektiven sind. Und doch, werden sie wahrscheinlich noch an Schüler vermittelt. Dabei ist Kunst in erster und eigentlich einziger Linie ein Ausdruck des Künstlers. Welche Form er dabei nutzt, welches Material ist egal. So oder so, Kunst kennt keine Ränder.
Florian Wörrle geht mit seiner Kunst einen interessanten Weg. Er ist nicht nur ein in sich geschlossener Künstler, sondern auch Lehrer an einem Gymnasium. Falls von seiner Kunst auf seine Lehrtätigkeit geschlossen werden kann, ermutigt er die Schüler, mit dem Verständnis des flachen Bildes zu spielen.
Am besten lässt sich Wörrles Kunst aus seinen Materialen heraus erklären: Man findet hier nie das normale Setup von „Öl auf Leinwand“. Wörrle arbeitet mit allem was ihm unter die Hände kommt. Die Auflistung des Materials liest sich dabei wie das Resultat eines Besuchs im Baumarkt. Er verwendet PU-Schaum, Acrylfarbe und Lack um seine Übungen in Form und Farbe ins Leben zu rufen. Dass dabei hinter diesem Pulk von Material als Träger immer noch eine Leinwand dient, lässt sich bei den fertigen Werken nur noch erraten. Seine Arbeiten sind dabei nie wirklich viereckig und perfekt abzugrenzen. Zum Beispiel lässt er in „Fetter Ecke“ ein Eck zerfließen und häufig noch Tropfen der Farbe überstehen. Dabei sind Titel wie „Gotham City“ oder „Tischlein deck dich“ nicht nur Anlehnungen an Bekanntes, sie scheinen den freien Formen ein Gefühl mitzugeben und der Rezeption auf die Sprünge zu helfen; selbst dann, wenn der Titel „Spritzgebäck“ lautet. Wegen ihrer Buntheit provozieren die Bilder Kitschverdacht. Kitsch ist ein Begriff der die trivialsten Ausdrücke in der Kunst abwertend bezeichnet, doch sind Wörrles Werke vielleicht gerade deshalb trivial, weil sie in ihrer impliziten Offenheit der Formen jeden ansprechen können ohne jedoch einen verkopften Diskurs über Konzepte wie Wahrheit oder Schönheit auslösen zu wollen? Es geht in der Kunst an erster Stelle, um den Ausdruck. Und so wie das Bild keine Ränder haben und nicht nur Flach an die Leinwand gebunden sein sollte, ist der Ausdruck niemals trivial.
Um wieder auf Wörrles Tätigkeit als Lehrer zurückzukommen: Jeder Lehrer war selbst einmal Schüler und Wörrle war bei Anselm Reyle. Reyles Kunst ist ein Spiel mit der Materialität und der Konzeption von High und Low Art, bei Wörrle lassen sich viele dieser Züge wiederfinden. Reyle gab seinen Impetus an den Schüler Wörrle weiter und dieser wird die Idee, dass Kunst den Rahmen sprengt und nicht nur ein bloßes Bild an einer Wand ist, an seine Schüler weitergeben. Wie sich diese Idee dann weiterentwickeln wird, lässt sich zwar noch nicht absehen, aber stets begrüßen. Zudem scheint der nächste logische Schritt für Wörrle selbst die Ablösung von der Wand und die Eroberung des ganzen Raums, in Form von Skulpturen zu sein. So, dass sich keiner mehr darüber beschweren kann, wenn da was „absteht“.
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